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In den USA gewinnt Ende 2016 mit dem Republikaner Donald Trump ein Präsident die Wahl, der sich im Vorfeld für eine klare Abschottungspolitik ausgesprochen hat. „America First“, so sein Credo. In Europa bereitet sich seit Mitte 2016 mit Großbritannien das erste EU-Mitglied auf den Ausstieg aus der Gemeinschaft vor. Russland, einst wachstumsstarker BRIC-Staat, ächzt unter dem Embargo. In der Türkei fährt Machthaber Erdogan nach dem gescheiterten Putschversuch einen unberechenbaren Kurs. In Brasilien machen schwache Wirtschaft und eine gefährliche Sicherheitslage unattraktiv. Asiatische Boom-Nationen wie Indien und China locken zwar mit zahlreichen Jobchancen. Verkehrsinfarkt und hohe Luftverschmutzung machen diese Länder jedoch vor allem mit Familie wenig lebenswert. Was bedeuten diese Entwicklungen für deutsche Führungskräfte, die mit Auslandserfahrungen ihre Karriere vorantreiben möchten? Heinz T. Juchmes, Managing Partner der internationalen Personalberatung Signium und Spezialist für Finanzvorstände/-geschäftsführer, über die Zukunft der Lieblingsziele deutscher Expats.
Die Welt ist unsicherer geworden. Auf der internationalen Landkarte leuchten immer mehr Alarmlämpchen. Wie wird sich diese Entwicklung auf die Bereitschaft von Führungskräften auswirken, für eine längere Zeit einen Posten im Ausland zu übernehmen, sei es um einen Markteintritt zu begleiten oder ein vorhandenes Geschäft auszubauen?
Juchmes: Ein politisch raues Klima wirkt sich schnell aus. Positionen in der Türkei etwa, die bis vor zwei Jahren noch ein sehr attraktiver Standort war, werden wegen der zahlreichen schweren Terrorattentate und der unberechenbaren Situation seit dem gescheiterten Putsch nur noch schwer zu besetzen sein. Russland galt wegen der hohen Korruption und der Sprachschwierigkeiten schon immer als schwierig. Das Embargo verschärft die Lage noch. Brasilien, wie Russland einst aussichtsreicher Investitionsstandort, leidet heute ebenfalls unter Wachstumsschwäche und einer gefährlichen Sicherheitslage. In Südafrika führt die hohe Kriminalität dazu, dass viele Manager zurückkehren wollen. In Polen tragen die politischen Umwälzungen dazu bei, dass auch dieser Markt an Anziehungskraft verliert. Und wachstumsstarke asiatische Nationen wie China und Indien locken zwar mit zahlreichen Jobchancen, Verkehrsinfarkt und hohe Luftverschmutzung machen diese Länder jedoch vor allem mit Familie wenig lebenswert.
Und im Juni 2016 kam eine weitere Hiobsbotschaft: 51,9 Prozent der Briten stimmten für einen Brexit, also den Austritt aus der EU. Jetzt beginnen zähe Verhandlungen über die Modalitäten. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien dürften dadurch deutlich erschwert werden. Was bedeutet der Brexit aus der Sicht von Expats?
Juchmes: Der Brexit macht Großbritannien für deutsche Manager unattraktiver. Vor dem Referendum war UK für Führungskräfte sicher eines der spannendsten Ziele in Europa. Für Deutschland war das Vereinigte Königreich 2015 immerhin nach den USA und Frankreich das wichtigste Abnehmerland unserer Produkte. Mehr als 2500 deutsche Firmen haben Niederlassungen auf der Insel und umgekehrt. Die kurze Entfernung nach Deutschland, die günstigen Flüge und die Sprache machten das Land auch für Familien interessant. Ob das so bleibt, ist ungewiss. Laut Prognosen könnte der Brexit die Briten zehn Prozent des Wohlstands kosten. Das Projektgeschäft wird sich deutlich abschwächen, da voraussichtlich langfristig die Investitionen in Anlagenbau und Infrastrukturmaßnahmen zurückgehen werden.
Im Moment ist noch gar nicht klar, wie genau der Austritt Großbritanniens aus der EU geregelt wird. Immerhin ist das Königreich das erste Land, das die Gemeinschaft verlässt.
Juchmes: Ja, das stimmt, aber die Unsicherheit über die Zeit danach wirft schon ihre Schatten voraus. London ist zwar die Hauptstadt der weltweiten Finanzbranche. Trotzdem hat die Schweizer Großbank UBS Anfang Dezember 2016 verkündet, nahezu ihr gesamtes kontinentaleuropäisches Geschäft inklusive der Investmentbank in Frankfurt zu bündeln. Vor dem Brexit galt noch die britische Metropole als aussichtsreichster Kandidat. Ein zweites Beispiel ist die Deutsche Bahn, die eigentlich bis zu 45 Prozent ihrer britischen Tochter Arriva an die Londoner Börse bringen wollte, um zusammen mit dem Teilverkauf der internationalen Logistiksparte Schenker Milliarden für ein groß angelegtes Investitionsprogramm zu erzielen. Nach dem Brexit und der Abwertung des britischen Pfunds sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube den Börsengang ab.
Wenn Märkte schwieriger werden, sind Manager allerdings auch besonders gefordert…
Juchmes: Managererfahrungen in Großbritannien und in anderen Krisenländern können Feuertaufen sein und zählen doppelt. Denn Businesspläne müssen oftmals kurzfristig angepasst werden. Manager brauchen dafür Durchsetzungsvermögen gegenüber dem Headquarter in Deutschland, Analysefähigkeiten, Flexibilität, Belastbarkeit und Stressresistenz. Das sind alles Eigenschaften, die im Verlauf einer Karriere sehr von Vorteil sind.
In Ländern wie Großbritannien, der Türkei oder auch Brasilien mag es schwieriger werden, Positionen zu besetzen. Unternehmen brauchen dennoch qualifizierte Führungskräfte. Wie kann Signium helfen?
Juchmes: Signium verfügt über ein dicht geknüpftes Netzwerk mit 45 Büros in ca. 30 Ländern. Mit dem Executive Search-Spezialisten Talent Africa haben wir zudem gerade einen neuen Partner in Südafrika gewonnen, der nicht nur Klienten an der Südspitze des Kontinents, sondern auch in Subsahara-Afrika betreuen wird. Damit sind wir international exzellent aufgestellt, um die Positionen passgenau zu besetzen. Für Länder, die aus deutscher Sicht gegebenenfalls nicht mehr so attraktiv sind, können wir also auch auf andere Nationalitäten zugehen bzw. Führungskräfte aus dem lokalen Markt gewinnen.
Im November 2016 folgte die nächste Überraschung. Mit dem Republikaner Donald Trump wird ein Mann Präsident, der sich entgegen dem allgemeinen Trend zur Globalisierung für deutlich mehr Protektionismus ausspricht und sich für „Buy American“ stark macht. Seine Devise: „America First“. Die USA sind immerhin der wichtigste Abnehmer von Produkten „made in Germany“. Bleiben die USA für Expats ein Traumziel?
Juchmes: Auf jeden Fall. Von dem neuen Kurs lassen sich wechselwillige Top-Manager sicher nicht abschrecken. Schon nach der Wahl hat das Kursfeuerwerk, das auch die deutschen Börsen zündeten, gezeigt, dass die Wirtschaft offenbar nicht so pessimistisch gestimmt ist. Die USA sind nicht nur ein großer bedeutender Markt für unsere Firmen, sondern gelten auch als extrem schwierig wegen der hohen Wettbewerbsintensität. Nur sehr wenige deutsche Manager haben es zum Beispiel geschafft, in Spitzenpositionen bei US-Unternehmen aufzurücken, unter ihnen zum Beispiel Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, der seit 2008 den Aluminiumhersteller Alcoa führt, oder Martin Richenhagen, CEO beim Landmaschinenhersteller AGCO. In den deutschen DAX-Führungsgremien kommt immerhin jeder vierte ausländische Vorstand aus den USA. Wer es in den Vereinigten Staaten als Manager schafft, kann sich sehen lassen. US-Erfahrung ist deshalb in einem CV ein großer Pluspunkt. Und wegen der ungeheuren Vielfältigkeit des Landes, ist die Familie oftmals eher zu einem Wechsel bereit, als wenn eine Position in einem kleineren EU-Staat, Schwellenland oder gar Krisengebiet winkt. Und nicht zu vergessen: Die Konjunktur in den USA läuft gut, das Land hat die Finanzkrise besser gemeistert als viele europäische Staaten. Last but not least könnte die Abschottungspolitik Trumps dazu führen, dass das ohnehin große Interesse deutscher Unternehmen an der Übernahme von US-Firmen noch weiter zunimmt.