Our website uses cookies in order to be able to offer the best possible functionality. By using the website you agree to the use of cookies. More information can be found here.
Nach erfolgreicher Ansprache potentieller Kandidaten erhalten wir oftmals Lebensläufe und sogar Motivationsschreiben, die ausführlich die Eignung für die zu besetzende Position dokumentieren sollen. Es kommt dabei selten vor, dass die Inhalte überraschen – auf Führungsebene haben wir es mit Profis zu tun. In einem Fall aus der jüngeren Vergangenheit erreichte uns jedoch ein etwas abweichendes Motivationsschreiben von einem Kandidaten, den wir einige Tage zuvor identifiziert und sein Interesse an einer Vakanz geweckt hatten. Das besondere war in diesem Fall, dass er sowohl seine Erfolge als auch seine Misserfolge dokumentierte und sie gleichfalls als wichtige Erfahrungen bezeichnete, die ihn qualifizierten – wir mussten zweimal lesen, um dieses „Wagnis“ zu glauben!
Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass der Kandidat auch im persönlichen Gespräch mit einem Maß an Authentizität und Souveränität überzeugte, die man nur selten findet. Er deklassierte in der entscheidenden Präsentationsrunde mühelos auch hervorragende Kandidaten, die sich jedoch im direkten Vergleich ein wenig zu „geschliffen“ gaben.
Das Beispiel steht aus unserer Sicht für einen Trend, der sich deutlich abzeichnet. Eine wirklich souveräne Führungskraft verfügt über Authentizität, die sich aus der Erkenntnis auch der eigenen Entwicklungsfelder speist – und dem nur so wirklich glaubhaft möglichem Engagement zur Selbstoptimierung.
Unser erster Anspruch in jedem Besetzungsprozess lautet selbstverständlich, dass die präsentierten Kandidaten über die benötigte Qualifikation verfügen. Doch bei gleicher oder ähnlicher Qualifikation kommt der Authentizität als „Bonus-Eigenschaft“ eine noch größere Bedeutung zu. Das Ziel bei Besetzungen auf Führungsebene muss es sein, Personen zu gewinnen, die in das vorhandene Management-Team neue Impulse einbringen können. Auch einmal unbequem zu agieren, um aus sich und anderen das Beste herauszuholen, ist hier das Ziel.
Wenn Kandidaten in der Präsentationsrunde bei unseren Klienten mit herausfordernden Fragen konfrontiert werden, gibt es zwei Möglichkeiten zur Antwort: Die angepasste oder die eigene, unverstellte Meinung. Es ist aus Unternehmenssicht legitim, sich für einen wortgewandten, geschliffenen Kandidaten zu entscheiden, der sich aus dieser Situation elegant hinausmanövriert, deshalb bieten wir unseren Klienten schließlich eine Auswahl an Charakteren und Temperamenten. Die Erfahrung der letzten Jahre hat allerdings gezeigt, dass Kandidaten, die auch in einer solchen Stresssituation ihre klare eigene Handschrift behalten, auf Dauer die besseren und langfristigeren Besetzungen sind.
Brave und angepasste, ja vielleicht sogar „aalglatte“ Manager bieten sicherlich ein abgerundetes Profil, sind aber mittlerweile weniger gefragt. Die Neuigkeit ist also, dass auch Entscheider immer häufiger auf Ecken und Kanten wertlegen. Wer bereits in einem frühen Gesprächsstadium mit Kandidaten für Führungspositionen einen offenen Dialog über gegenseitige Stärken, aber auch Fehler und Misserfolge führt, hält damit einen Schlüssel zur Gewinnung von Kandidaten mit ebendiesen Eigenschaften in der Hand, die das Unternehmen wirklich weiterentwickeln können. Es braucht natürlich Mut, diesen Schlüssel auch zu drehen.
Führung hat sich in den letzten Jahren verändert. Vorgabe und Kontrolle behalten ihre Wichtigkeit, aber „Leadership“ definiert sich verstärkt auch über die Fähigkeit zur Motivation und Weiterentwicklung des Teams. Veränderungs- und Transformationsmanagement ist in den Mittelpunkt gerückt, da die Schnelligkeit der Entwicklungen am Markt zunimmt und der Austausch von Informationen durch die Digitalisierung immer rascher und unmittelbarer erfolgt. Informationen lassen sich schwieriger zurückhalten und Teams fordern zurecht „Empowerment“. Eine Führungskraft benötigt vor diesem Hintergrund Souveränität und natürliche Autorität, aber auch Empathie und Kreativität.
Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann diese entscheidenden Soft-Skills mitbringen. Der Mut, auch schwächere Seiten zu benennen und Misserfolge zuzugeben, ermöglicht die damit einhergehende „Unverstelltheit“, die für ein sicheres Navigieren durch herausfordernde Führungssituationen nötig ist. Für Recruiter und Entscheider in Unternehmen bedeutet es eine Umstellung, aus ehrlichen und im ersten Moment vielleicht vom Erwarteten abweichenden Antworten oder Details aus dem Lebenslauf potentiellen Mehrwert herauszufiltern. Dazu ist ein gewisses Maß an Mut erforderlich, belohnt wird man bei der Wahl entsprechender Kandidaten jedoch häufig durch Eigenschaften wie Lernfähigkeit, die z.B. aus Karriereumbrüchen resultiert. Grundsätzlich können Kandidaten, die vom „Schema F“ abweichen, nach unserer Erfahrung mit neuen Situationen flexibler umgehen. Ein realistisches Selbstbild und ehrliches Interesse an der zu besetzenden Aufgabe sind jedoch zusätzlich notwendige Voraussetzungen.
Um die damit einhergehende Authentizität und Reife zur erkennen, bedarf es neben dem Mut zum „Ungewöhnlichen“ auch der richtigen Diagnostik. Sehr wichtig ist es, neben dem Fokus auf fachliche Fragestellungen noch stärker als bisher die Aspekte der Persönlichkeit zu beleuchten. Dies empfiehlt sich nebenbei gesagt auch deshalb, da im Allgemeinen der „Fit“ in das Team auf jeder Ebene immer mehr zum entscheidenden Erfolgsfaktor wird.
Durch die Erweiterung typischer Personalerfragen lässt sich in diesem Zusammenhang schon mit einfachen Mitteln viel Entscheidungsrelevantes in Erfahrung bringen. Wenn man Kandidaten beispielsweise fragt, welche Eigenschaft, die ihnen noch fehlt, sie sich gerne in einem Laden kaufen würden, lässt die Antwort bereits erstaunliche Rückschlüsse zu. Eine souveräne Führungspersönlichkeit mit der schon erwähnten Fähigkeit zur ehrlichen Selbstreflexion wird sich hier keineswegs mit einer nichtssagenden Antwort wie „ich würde mir Geduld kaufen“ zufriedengeben, sondern nach einer aussagekräftigen Eigenschaft suchen, die ihre vorhandenen Stärken wirklich ergänzen kann und offengelegte Schwächen mindert. Die Bereitschaft, kritische Fragen auch schon in einem frühen Stadium der Gespräche zu thematisieren, gehört ebenfalls zu einer ehrlichen und transparenten Führungskraft. Sie signalisiert die Bereitschaft, eine Position nicht um jeden Preis antreten zu wollen, um dann Kompromisse einzugehen, die vielleicht zulasten der Motivation gehen. Wer den Mut hat, klar und deutlich die für sich benötigten Bedingungen für ein erfolgreiches Arbeiten abzusichern, der wird sich auch während seiner fortlaufenden Tätigkeit für das Unternehmen als fairer und gradliniger Mitspieler erweisen.
Ehrliche Kandidaten vermitteln, wie wir es festgestellt haben, „ohne Maske“ ein ungeschminktes Bild aus ihren Stärken und Schwächen und fordern darüber hinaus die Dinge ein, die sie brauchen, um ihr Bestes im Sinne des Unternehmens geben zu können.
Sie bieten einen Mehrwert aufgrund ihrer Fähigkeit zur Reflexion, fordern dies allerdings auch umgekehrt von einem Unternehmen, damit ein Einstieg für sie attraktiv ist. Wie kann man aus Unternehmenssicht diese oftmals überdurchschnittlichen, aber anspruchsvollen Kandidaten kommunikativ gewinnen?
Zunächst ist es wichtig, die Situation im Unternehmen ebenso realistisch darzustellen, mit Licht und Schatten. Unsere Erfahrung aus jüngster Zeit zeigt, dass intrinsisch motivierte Kandidaten sich von herausfordernden Umständen nicht abschrecken lassen, eher das Gegenteil ist der Fall. Fällt die Selbstdarstellung jedoch unauthentisch aus, verliert man oft Kandidaten, die bei sich selbst auf eine möglichst umfangreiche Darstellung von Stärken und Schwächen wertlegen. Es gibt auch in sehr erfolgreichen Unternehmen kaum Bereiche, in denen alles rundläuft. Kritische Nachfragen von Kandidaten beantwortet man, wenn es um diese „Baustellen“ geht, am besten mit aller Ehrlichkeit. Die Angst, damit attraktive Kandidaten zu vergraulen, hat sich nach unserer Erfahrung als unbegründet herausgestellt. Wer wirklich Interesse an der gebotenen Aufgabe hat und sich aus seiner eigenen Komfortzone hinausbewegen will, sieht Herausforderungen als Ansporn.
Selbstverständlich müssen zugleich auch die Stärken des Unternehmens offen benannt werden, was auch nicht immer in ausreichender Form geschieht. Transparenz in jede Richtung ist somit der entscheidende Schlüssel zur Gewinnung von Top-Kandidaten!